Axel Springer flüchtet aus dem Briefgeschäftvon Ulf Brychcy (Hamburg)Der Axel-Springer-Verlag bereitet einen harten Kurswechsel vor. Vorstandschef Mathias Döpfner will sich nach nur wenigen Monaten wieder aus dem Briefzustellgeschäft verabschieden. Informieren Sie mich per E-Mail über aktuelle News zu diesem Unternehmen
Erst Ende Juni hatte das Verlagshaus ("Bild") 510 Mio. Euro gezahlt, um die Mehrheit und die operative Führung am Briefdienst Pin zu übernehmen. Nun will Döpfner wesentliche Anteile von Pin an den niederländischen Postkonzern TNT verkaufen.
Mit dieser abrupten Wende gesteht Döpfner ein, im Briefgeschäft gescheitert zu sein. Noch im Juni sagte er, dass die neue Sparte "neben dem Inhaltegeschäft in Print und Online zu einer weiteren starken Säule für Axel Springer entwickelt wird". Kritik, dass der Preis für Pin zu hoch sei und dass der Verlagskonzern nichts vom Briefgeschäft verstehe, wischte Döpfner damals beiseite.
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Nach FTD-Informationen wirkten auch Mitglieder des Springer-Aufsichtsrats auf den Vorstandschef ein, die kostspielige Expansion in den Postbereich deutlich zurückzufahren. Pin fällt es schwer, seine Position auf dem hiesigen Postmarkt auszubauen, auch wegen der politischen Rahmenbedingungen etwa beim Mindestlohn. Zudem benötigt das defizitäre Unternehmen noch Aufbauinvestitionen in dreistelliger Millionenhöhe. Die Aktienmärkte bewerteten diesen Ausflug offenkundig als zu risikoreich. Der Aktienkurs von Springer gab jedenfalls in den vergangenen drei Monaten deutlich um 30 Euro auf 105 Euro nach.
Weder Springer noch TNT wollten Verhandlungen bestätigen. "Wir prüfen derzeit strategische Optionen, wie wir das Geschäft von Pin weiterentwickeln können", sagte eine Springer-Sprecherin. Wie die FTD erfuhr, will der Verlag in einem ersten Schritt seinen 71,6-prozentigen Anteil an Pin auf 25 Prozent reduzieren.
Offen ist jedoch, ob Döpfner seinen Einsatz von 510 Mio. Euro von TNT zurückerhalten wird. Daran könnte der Verkauf noch scheitern. Nachteilig bei den Kaufpreisverhandlungen dürfte auch sein, dass es Springer in den wenigen Monaten nicht gelungen ist, Pin unternehmerisch und strategisch deutlich nach vorn zu bringen. TNT dringt dem Vernehmen nach zudem darauf, dass Springer zunächst noch Anteilseigner bei Pin bleiben soll, ebenso wie die Pin-Juniorpartner Holtzbrinck ("Handelsblatt", "Die Zeit"), Madsack ("Hannoversche Allgemeine Zeitung") und die WAZ-Gruppe aus Essen. Der Postkonzern TNT will sich mit diesen Verlagen im wichtigen deutschen Briefmarkt absichern.
TNT könnte sich mit der Übernahme von Pin als kraftvoller Herausforderer der dominierenden Deutschen Post positionieren. TNT ist mit einem Briefumsatz von 200 Mio. Euro im vergangenen Jahr die Nummer zwei in Deutschland, gefolgt von Pin mit 168 Mio. Euro. Zum Vergleich: Die Deutsche Post setzt in der hiesigen Briefsparte, die Anfang 2008 vollständig liberalisiert wird, rund 6 Mrd. Euro um.
Post-Chef Klaus Zumwinkel will dieses für seinen Konzern renditestarke Geschäft mit aller Macht verteidigen. "Ich werde meine Wettbewerber bluten lassen", hatte Zumwinkel kürzlich gesagt: "Da werden wir sehen, wer gewinnt." Dabei setzt der Manager auch auf die Unterstützung durch die Bundesregierung, vor allem beim Mindestlohn.
Döpfner hatte offenkundig diese zusätzlichen politischen Hürden im Sommer nicht vollständig erfasst. Zuletzt versuchten Springer-Zeitungen, mit dubiosen Anzeigen gegen Post-Chef Zumwinkel zu polemisieren. Bei Springer hieß es nun gleichwohl: "Das ist kein Notverkauf."
Der börsennotierte TNT-Konzern, der in diesem Jahr einen Umsatz von gut 10 Mrd. Euro anpeilt, sieht in der Pin-Übernahme eine strategische Chance. Sollte es zu dem Geschäft kommen, können die Niederländer die Zustellnetze von TNT und Pin zusammenlegen. Dies spart erhebliche Kosten, steigert die Kundenzahl und sichert TNT die Position als Nummer zwei im deutschen Postmarkt.
Aus der FTD vom 02.11.2007
© 2007 Financial Times Deutschland