Pin-Chef will Firma von Springer kaufenVerzweifelte Rettungsversuche: Pin-Chef Thiel will die Springer-Mehrheit an der Firma kaufen, weil der Verlag den Geldhahn zudreht. Zudem beantragt die Pin gemeinsam mit anderen Postkonkurrenten nach SPIEGEL-Informationen einen eigenen Mindestlohn unter dem heute beschlossenen Niveau.
Hamburg - Die Verhandlungen über den Verkauf des Unternehmens an Pin-Chef Günter Thiel und das Management des Unternehmens sind bereits gestartet. SPIEGEL-Informationen zufolge will Springer nach derzeitigem Verhandlungsstand mit 20 Prozent an der Pin Group beteiligt bleiben, auch die meisten Regionalgesellschaften wollen weiter mitmachen. Wer aber wieviel in das angeschlagene Unternehmen steckt, ist noch ungeklärt. Das Pin-Management hat einen zweistelligen Millionenbetrag in Aussicht gestellt.
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Pin-Zusteller: Die Dienstleistungen seien mit denen der Post nicht vergleichbar, argumentiert das Unternehmen
Es war ein ereignisreicher Tag für die Pin. Erst hatte Springer beschlossen, alle Zahlungen an die defizitäre Tochter zu stoppen und außerdem seine Mehrheit an der Pin Group abzugeben, "wenn Minderheitsgesellschafter und neue Investoren ausreichend
Mittel zur Verfügung stellen". (mehr...) Die Entscheidung des Verlags kam nur kurz nach dem Bundestagsbeschluss zur Einführung eines Mindestlohns von acht bis 9,80 in der Postbranche, auf den sich der von der Deutschen Post dominierte Arbeitgeberverband und Gewerkschaften geeinigt hatten.
Schließlich erklärte Pin-Chef Günter Thiel sich öffentlich bereit, das Unternehmen gemeinsam mit dem Management zu übernehmen - kurz darauf begannen schon die Verhandlungen.
Der Pin geht es dreckig. In den vergangenen zwei Jahren hatte Springer rund 620 Millionen Euro in die Pin Group investiert und im Sommer die Mehrheit übernommen. Im November musste der Konzern aber eingestehen, dass die neue Tochter bis zum Jahresende einen Verlust von bis zu 55 Millionen Euro machen dürfte. Als die Große Koalition sich dann auch noch auf die Einführung eines Mindestlohns von acht bis 9,80 Euro in der Postbranche einigte, war das Entsetzen groß. Pin kündigte an, 1000 der insgesamt 9000 Zusteller zu entlassen.
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von achwas! Pin-Chef Günter Thiel aber will sein Unternehmen nicht in die Insolvenz schlittern lassen. "Unter den neuen Gegebenheiten ist der Fortbestand der Pin Group unter sehr schwierigen Bedingungen möglich", sagte er. Eine wesentliche Voraussetzung sei allerdings, dass die Politik nach Festsetzung des "Blockadelohns" nun für "einigermaßen faire Wettbewerbsbedingungen auf dem Briefmarkt" sorgt. Konkret seien dies die Beendigung der Mehrwertsteuerbefreiung der Deutschen Post und die Beendigung ihrer Befreiung von der Unfallversicherungspflicht.
Die Pin und andere kleine Postkonkurrenten haben sich zudem nach SPIEGEL-Informationen zu einem überraschenden Schachzug entschlossen, um doch noch an dem heute beschlossenen Mindestlohn vorbei zu kommen: Ihr Arbeitgeberverband Neue Brief- und Zustelldienste hat einen Antrag auf einen eigenen,
niedrigeren Mindestlohn im Bundesarbeitsministerium eingereicht (mehr...). Er soll bei 7,50 im Westen und 6,50 im Osten liegen.
Die Begründung für den Vorstoß: Die Dienstleistungen von Unternehmen wie Pin und TNT wie etwa die die taggleiche Zustellung, die termingenaue Zustellung oder aber die Sendungsverfolgung seien "qualitativ" höherwertig als die der Post, deshalb seien sie miteinander nicht zu vergleichen.
Dem Schreiben an das Ministerium liegt ein offizieller Tarifvertrag mit der kürzlich ins Leben gerufenen Gewerkschaft Neue Brief- und Zustelldienste bei. Außerdem, heißt es in dem Schriftstück weiter, seien mehr als 50 Prozent der Beschäftigten in der Mehrwertbriefdienste-Branche in dem Verband organisiert. Dies ist notwendig, um einen Branchentarifvertrag als allgemeinverbindlich zu erklären. Und genau das könnte Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) in den nächsten Wochen in arge Probleme bringen.
Denn trotz des durchsichtigen Störmanövers stehen die Chancen für den von SPD-Mitglied Florian Gerster angeführten Verband nach Einschätzung von Experten gar nicht schlecht. Denn zumindest in den Statistiken der für den Postmarkt zuständigen Bundesnetzagentur wird die Branche der Mehrwertbriefdienste offiziell ausgewiesen. Und auch die formellen Kriterien, wie Tarifvertrag und 50-Prozent-Klausel, die von der Union in der Vergangenheit als Bedingung für die Aufnahme weiterer Branchen genannt worden waren, sind erfüllt.
Selbst den Einwand, den Tarifvertrag mit einer völlig neuen Gewerkschaft geschlossen zu haben, kontert man in dem Verband gelassen. Die Gewerkschaft Ver.di und andere Postgewerkschaften, sagt Jäger, hätten schriftliche Verhandlungsangebote mehrfach abgelehnt.
Das Bundeswirtschaftsministerium steht dem Anliegen der Post-Konkurrenten mit unverhohlenem Wohlwollen gegenüber. "Wir werden den Antrag sorgfältig prüfen", heißt es im Haus von Ressort-Chef Michael Glos (CSU). "Das ist keine Sache, die man von vornherein abbügeln sollte." Das Begehren habe durchaus Aussicht auf Erfolg, denn es handele sich hier nicht um einen konkurrierenden Tarifvertrag in ein und derselben Branche. Dabei wäre es unklar gewesen, welcher als allgemeinverbindlich zu erklären wäre. Stattdessen sei eine neue Branche definiert worden, was die Aussichten für die Aufnahme ins Entsendegesetz und die anschließende Allgemeinverbindlichkeitserklärung erhöhe.
ase/Ap/ddp/Reuters