Allparteien-Ärger über Post-Chef ZumwinkelVon Severin Weiland, Sebastian Fischer und Florian Gathmann
Moralisch verwerflich, politisch unklug, Protagonist einer enthemmten Manager-Clique: Wütend und verärgert reagieren Politiker aller Parteien auf Post-Chef Zumwinkel. Dieser hatte ausgerechnet nach der Einigung zum Mindestlohn Aktien für Millionen an der Börse verkauft.
Berlin - Die Reaktionen fallen fast einhellig aus. Der Umstand, dass der Vorsitzende der Post AG, Klaus Zumwinkel, ausgerechnet millionenschwere Aktienoptionen wahrgenommen und seine Papiere an der Börse verkauft hat, nachdem die Tarifpartner den Mindestlohn beschlossen, wird in der Politik massiv kritisiert. "Dazu habe ich nur zu sagen, das es keine besonders hilfreiche Aktion von Herrn Zumwinkel gewesen ist, falls es stimmen sollte!", betonte heute gegenüber SPIEGEL ONLINE die SPD-Vize Andrea Nahles.
Auch andere Sozialdemokraten sind empört. Ottmar Schreiner, einer der vehementesten Streiter für den Mindestlohn, griff den Post-Chef scharf an. "Zumwinkel benimmt sich wie der Protagonist einer enthemmten Manager-Clique, die sich schamlos selbst bedient", erklärte er gegenüber SPIEGEL ONLINE.
Wolfgang Grotthaus, stellvertretender Sprecher der SPD-Fraktions-Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales, sagte zu SPIEGEL ONLINE: "Ich gebe Kurt Beck und Angela Merkel recht: Wir müssen mal an die Höchstlöhne ran. Leuten wie Zumwinkel und anderen sollte man auf die Finger klopfen. Das passt doch jetzt wie die Faust aufs Auge: Wir diskutieren über Mindestlöhne und ein Manager zieht seine Aktienoptionen. Politisch war das ein unkluger Zeitpunkt, ganz klar."
DER SPIEGEL
Auch der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Gerald Weiß, nannte den Vorgang "bemerkenswert". Er könne die Rechtslage bei Optionsgeschäften nicht beurteilen. Selbst wenn aber das Geschäft legal sei, so sei doch nicht jedes Geschäft auch legitim, erklärte er zu SPIEGEL ONLINE. "Es scheint mir wenigstens ein Fall zu sein, wo auf höchster Management-Ebene offenkundig einmal mehr jedes Fingerspitzengefühl verloren gegangen ist", so der CDU-Politiker weiter.
Anton Schaaf, Vizesprecher der SPD-Fraktions-Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales, verwies im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE auf die jüngste Einigung zum Mindestlohn, die auch von Seiten der Post AG gewünscht war, um so die billigere private Konkurrenz in Schach zu halten. "Der Herr Zumwinkel wird vor allem dadurch profitieren, dass sein Unternehmen nicht durch Lohndumping unter Druck gerät", so Schaaf. Was den Verkauf der Aktienoptionen angeht, sagte er: "Seine privaten Geschäfte sind seine Sache."
Oppositionspolitiker kritisierten Zumwinkel in der "Bild"-Zeitung: "Dieses Monopoly-Spiel passt nicht zu unserer sozialen Marktwirtschaft. Schwarz-Rot hat Herrn Zumwinkel durch den Post-Mindestlohn ein großes Weihnachtsgeschenk beschert", sagte der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Rainer Brüderle. Grünen-Fraktionsvize Christine Scheel sagte: "Es ist moralisch verwerflich, wenn der Post-Chef die Mindestlohn-Entscheidung in dieser Art und Weise in privaten Gewinn ummünzt. Anscheinend bekommt Herr Zumwinkel den Hals nicht voll."
WANN DARF EIN MANAGER AKTIEN VERKAUFEN?Aktienoptionen sind fester Bestandteil bei der Bezahlung von Managern. Allerdings dürfen Vorstände ihre Optionen
nicht jederzeit einlösen. Wenn die Gefahr besteht, dass ein Manager
Insiderwissen nutzt, darf er am Handel nicht teilnehmen. Ein offizielles Zeitfenster gibt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) nicht vor. Viele Unternehmen haben sich aber eine
Selbstverpflichtung auferlegt, um Insiderhandel möglichst auszuschließen. In der Regel heißt das:
Vier bis sechs Wochen vor wichtigen Ereignissen darf ein Manager mit seinen Optionen oder Aktien nicht mehr handeln. Zu solchen wichtigen Ereignissen zählen
Hauptversammlungen,
Bilanzpressekonferenzen oder die Veröffentlichung von
Quartalszahlen. Aufs Jahr gesehen bleiben damit nur wenige Wochen, in denen ein Vorstand Kasse machen darf.
Der Post-Vorstandsvorsitzende hatte am Montag 200.640 Aktienoptionen des eigenen Unternehmens an der Börse verkauft und dafür insgesamt 4,73 Millionen Euro eingenommen. Zuvor war der Wert der Aktien nach der Entscheidung für den Post-Mindestlohn um knapp fünf Prozent gestiegen.
Die Post verteidigte das Vorgehen und wies Spekulationen zurück, der Verkauf der Optionen hänge mit dem Kurssprung nach der Midestlohn-Entscheidung zusammen. Das sei nicht der Grund für das Aktiengeschäft gewesen, sagte ein Post-Sprecher.
Entscheidender sei, dass es gerade ein juristisches Zeitfenster gegeben habe, in dem der Post-Chef überhaupt verkaufen durfte. Vorstandsvorsitzende dürfen in Deutschland nur zu bestimmten Zeiten Aktien verkaufen oder Optionen einlösen. Kurz vor der Bekanntgabe von Geschäftszahlen ist dies zum Beispiel verboten. "Der Zeitpunkt des Verkaufs hat rein technische Gründe", so der Post-Sprecher weiter.
Was auch immer der Grund gewesen ist - der Imageschaden für Zumwinkel ist groß. Auch in jenen Teilen der CDU und CSU, die einem Mindestlohn ablehnend gegenüber stehen, wird der Vorgang mit Kopfschütteln zur Kenntnis genommen. "Die Börse hat diesen Coup mit steigenden Kursen für die Postaktie honoriert. Zu den Gewinnern gehört unter anderem Postchef Zumwinkel, der seine Aktienoptionen inzwischen veräußert hat. Dieser Vorgang zeigt erneut, die fehlende Sensibilität vieler Manager für die desaströse Wirkung ihres Verhaltens in der Öffentlichkeit", erklärte gegenüber SPIEGEL ONLINE der Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung in der Union, Josef Schlarmann (CDU).
Auch in der Bundespressekonferenz war der Fall Zumwinkel ein Thema. Doch die Vertreter des Bundes, immerhin Mehrheitseigner bei der Post AG, wollten sich nicht äußern. Die Sprecherin des Bundesfinanzministeriums erklärte: "Es bedarf nicht immer einer öffentlichen Äußerung".
Später dann erklärte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD)gegenüber N24: "Die Aufregung kann ich verstehen. Darüber wird zu sprechen sein". Es treffe generell das Thema, in wieweit auch deutsche Manager, auch gesellschaftliche Eliten, eine Vorbildfunktion hätten in einer Situation in Deutschland, wo man viele Menschen mitnehmen und aufpassen müsse, "dass die Zustimmung zum System der sozialen Marktwirtschaft nicht eingetrübt wird, weil diese Funktion nicht mehr wahrgenommen wird".
Die Post selbst vermutet hinter dem heutigen Bericht ohnehin ganz andere Absichten - eine Kampagne der Konkurrenz. Immerhin hatte die "Bild"-Zeitung das Thema heute morgen groß aufgegriffen. "Dass sich gerade 'Bild' mit dem Thema befasst, wundert mich gar nicht", sagte ein Post-Sprecher. "Die haben ihre eigenen geschäftlichen Interessen im Spiel." Damit spielte er darauf an, dass der Axel Springer Verlag, in dem "Bild" erscheint, der Mutterkonzern der Pin Group ist - und somit ein Post-Konkurrent.
Quelle: SPIEGEL ONLINE 05. Dezember 2007